Der Wiener Kreis war (zusammen mit der Gesellschaft für empirische Philosophie in Berlin) der Ausgangspunkt für eine internationale philosophisohe Bewegung, die eine Erneuerung und Reform des Positivismus und Empirismus gebracht hat. Der Neopositivismus steht heute im Vorder grund der Philosophie, namentlich in den angelsächsischen und skandinavischen Ländern. Er ist wohl die wichtigste ernstzunehmende Erscheinung in der Philosophie der Zwi schenzeit zwischen den beiden WeltkriegeIlJ. Aber gerade im deutschen Kulturgebiet hat die Leistung des Wiener Kreises nur Ablehnung erfahren - soweit sie überhaupt zur Kennt nis genommen worden ist. Und diese Kenntnis war und ist sehr unzulänglich. Sie erstreckt sich nur auf die Anfänge. Es ist bezeichnend dafür, daß Ger h. L e h man n in seiner Geschichte der "Deutschen Philosophie der Gegenwart", die erst 1943 erschienen ist, nur Ca I' n a p behandelt u. nd von diesem wohl die ersten Schriften einzeln aufzählt, seine Dis sertation, eine Abhandlung über "Eigentliche und uneigent liehe Begriffe" von 1927, den "logischen Aufbau der W 9Ilt" und die "Scheinprobleme" von 1928 und den "Grundriß der Logistik" von 1929, aber keine seiner so wichtigen späteren Schriften mehr. Dabei werden aucili die von ihm herange zogenen Arbeiten falsch beurteilt, weil er das Wesentliche verkeiI1nt. Auch Dei Ne g r 0, dessen "Geschichte der deut schen Philosophie der Gegenwart" llJUr um ein Jahr früher veröffentlicht ist, bezeichnet noch als "Das Hauptwerk der Richtung Ca I' n a p, Der logische Aufbau der Welt"'.