Stine ist ein historischer Roman von Theodor Fontane. Der damalige Skandalroman ist bis heute spannend fรผr Leser! Reinlesen: So brummelte die Lierschen vor sich hin, und so wenig freundlich ihre Betrachtungen waren, so waren sie doch nicht ganz ohne Grund; denn oben auf dem Fensterbrett und kniehoch aufgeschรผrzt stand eine schรถne, schwarze Frauensperson mit einem koketten und wohlgepflegten Wellenscheitel und wusch und rieb, einen Lederlappen in der Hand, die Scheiben der einen Fensterseite, wรคhrend sie den linken Arm, um sich besser zu stรผtzen, รผber das andere Querholz gelegt hatte. Mitunter gรถnnte sie sich einen Stillstand in der Arbeit und sah dann auf die Straรe hinunter, wo jenseits des Pferdebahngeleises ein dreirรคdriger, beinahe eleganter Kinderwagen in greller Mittagssonne hielt. Dem im Wagen sitzenden, allem Anscheine nach รผberaus ungebรคrdigen Kinde, das ganz aristokratisch in weiรe Spitzen gekleidet war, war ein zehnjรคhriges Mรคdchen zur Aufsicht beigegeben, das, als alles Bitten und Zureden nichts helfen wollte, dem Schreihals einen tรผchtigen Klaps gab. Im selben Augenblick aber schielte die Zehnjรคhrige, die diesen Erziehungsakt gewagt hatte, scheu nach dem Fenster hinauf, und richtig, es war alles von drรผben her gesehen worden, und die schรถne, schwarze Person, die ยปklapsen und erziehenยซ durchaus als ihre Sache betrachtete, drohte sofort mit dem Lederlappen nach der auf ihrem รbergriff Ertappten hinรผber. Auch schien ein Zornausbruch in Worten trotz der weiten Entfernung folgen zu sollen; aber ein befreundeter Briefbote, der gerade die Straรe heraufkam, hielt einen Brief in die Hรถh', zum Zeichen, daร er ihr etwas bringe. Sie verstand es auch so, stieg sofort vom Fensterbrett auf einen nebenstehenden Stuhl und verschwand im Hintergrunde des Zimmers, um den Brief drauรen auf dem Korridor in Empfang zu nehmen. Eine Minute spรคter kam sie zurรผck und setzte sich ins Licht, um bequemer lesen zu kรถnnen. Aber was sie da las, schien ihr mehr รrger als Freude zu machen, denn ihre Stirn legte sich sofort in ein paar Verdrieรlichkeitsfalten, und den Mund aufwerfend, sagte sie spรถttisch: ยปAlter Ekel. Immer verquer.ยซ Aber sie war keine Person, sich irgendwas auf lange zu Herzen zu nehmen, und so lehnte sie sich, den Brief immer noch in der Hand haltend, weit รผber die Fensterbrรผstung hinaus und rief mit jener enrhรผmierten Altstimme, wie sie den unteren Volksklassen unserer Hauptstadt nicht gerade zum Vorteil eigen ist, รผber die Straรe hin: ยปOlga!ยซ