Die Phantasie in der Malerei

· Library of Alexandria
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IN seinem Tagebuch stellt Delacroix die Behauptung auf, da§ jede €sthetik mit einer Terminologie der KunstausdrŸcke zu beginnen habe, da Jeder darunter etwas anderes verstehe. Er unternimmt auch die ErklŠrung einiger termini, aber er hšrt alsbald wieder damit auf, wahrscheinlich weil er die Unmšglichkeit seines Unternehmens einsieht.

Ich bin mir wohl bewu§t, das Wort ÈPhantasieÇ, von dem die folgenden Seiten handeln, in einem dem landlŠufigen abweichenden Sinne gebraucht zu haben und ich hŠtte es gern mit einem passenderen Worte vertauscht, wenn ich eins gefunden hŠtte. Im allgemeinen bezeichnet man mit Phantasie die Einbildungen unsres Gehirns, das ImaginŠre, das ein nicht Existierendes vorzaubert. In dieser Bedeutung kann man Phantasie Ÿberhaupt nicht anwenden auf die Malerei, die nichts erfinden kann oder soll, was nicht in der Natur existiert oder wenigstens existieren kšnnte. Ich mšchte der Phantasie mehr die Bedeutung, die das Wort im Griechischen hatte, beilegen: __________, Erscheinung. Der Maler will das ihm vorschwebende Bild zur Erscheinung bringen, er will die Erscheinung auf die Leinwand projizieren, wobei es ganz gleichgŸltig ist, ob ihm das Bild vor seinem geistigen oder leiblichen Auge schwebt. Denn beides ist im Grunde dasselbe: der Maler kann nur malen, was er zu sehen glaubt, ob er sein Bild im Geiste oder in der Natur sieht.

Aus der Phantasie malen steht also in keinem Gegensatze zum Nach-der-Natur-malen, denn es sind nur zwei verschiedene Wege, die nach demselben Ziele fŸhren sollen. Noch falscher aber wŠre die Annahme, die nicht nur im Publikum, sondern leider auch in der €sthetik immer noch besteht, als ob der Maler, der aus der Phantasie malt, mehr mit der Phantasie malt, als der, welcher nach der Natur malt.

Je naturalistischer eine Malerei ist, desto phantasievoller mu§ sie sein, denn die Phantasie des Malers liegt nicht Ð wie noch ein Lessing annahm Ð in der Vorstellung von der Idee, sondern in der Vorstellung von der Wirklichkeit oder wie Goethe es treffend ausdrŸckt: ÈDer Geist des Wirklichen ist das wahrhaft IdeelleÇ. Daher bedeutet idealistische Malerei im Gegensatze zur naturalistischen Malerei nur die verschiedene Auffassung der Natur, aber keinen QualitŠtsunterschied: die QualitŠt beruht einzig und allein in der grš§eren oder geringeren Kraft der Phantasie des Malers, mag er nun wie Raffael eine Madonna oder wie Rembrandt einen geschlachteten Ochsen malen. NatŸrlich kann ich nicht mit mathematischer Genauigkeit beweisen wollen, warum der eine Meister mehr Phantasie hat als der andere. Ich kann nur sagen wollen, warum ich ein PortrŠt von F. Hals fŸr phantasievoller halte als einen Holbein. Und wenn ich sage, da§ ich in Franz Hals den phantasievollsten Maler sehe, der je gelebt hat, so wird vielleicht klarer, was ich unter malerischer Phantasie verstehe: die den malerischen Mitteln am meisten adŠquate Auffassung der Natur. Jede Kontur, jeder Pinselstrich ist Ausflu§ einer kŸnstlerischen Konvention. Je suggestiver die Konvention wird, je ausdrucksvoller durch die Form oder die Farbe oder durch beides zusammen der Maler sein inneres Gesicht auf die Leinwand zu bringen imstande war, desto grš§ere, stŠrkere PhantasietŠtigkeit war zur Erzeugung seines Werkes nštig. Ebensowenig wie man den physischen Zeugungsproze§ je ergrŸnden wird, ebensowenig wird der Schleier von dem kŸnstlerischen Zeugungsproze§ je fallen. Wie es Axiomata gibt, die nicht in Frage gestellt werden dŸrfen, wenn man mathematische Fragen eršrtern will, so gibt es in der €sthetik gewisse notwendige Voraussetzungen, Ÿber die nicht zu diskutieren ist. Das Genie ist selbstverstŠndliche Voraussetzung und die €sthetik kann sich nur damit beschŠftigen wollen, wie und auf welche Weise es sich Šu§ert. Der heilige Augustinus definiert die Kunst als das, was die gro§en KŸnstler hervorgebracht haben. Fragt sich nur, welche KŸnstler man als die gro§en bezeichnet. Und diese Frage wird nie endgŸltig gelšst werden, denn letzten Endes entscheidet in Šstheticis der Geschmack und nirgends gilt das post hoc ergo propter hoc mehr als in der €sthetik.

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