Klassiker aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, , Veranstaltung: -, Sprache: Deutsch, Abstract: Fรผr Frรคulein Felice B. Es war an einem Sonntagvormittag im schรถnsten Frรผhjahr. Georg Bendemann, ein junger Kaufmann, saร in seinem Privatzimmer im ersten Stock eines der niedrigen, leichtgebauten Hรคuser, die entlang des Flusses in einer langen Reihe, fast nur in der Hรถhe und Fรคrbung unterschieden, sich hinzogen. Er hatte gerade einen Brief an einen sich im Ausland befindenden Jugendfreund beendet, verschloร ihn in spielerischer Langsamkeit und sah dann, den Ellbogen auf den Schreibtisch gestรผtzt, aus dem Fenster auf den Fluร, die Brรผcke und die Anhรถhen am anderen Ufer mit ihrem schwachen Grรผn. Er dachte darรผber nach, wie dieser Freund, mit seinem Fortkommen zu Hause unzufrieden, vor Jahren schon nach Ruรland sich fรถrmlich geflรผchtet hatte. Nun betrieb er ein Geschรคft in Petersburg, das anfangs sich sehr gut angelassen hatte, seit langem aber schon zu stocken schien, wie der Freund bei seinen immer seltener werdenden Besuchen klagte. So arbeitete er sich in der Fremde nutzlos ab, der fremdartige Vollbart verdeckte nur schlecht das seit den Kinderjahren wohlbekannte Gesicht, dessen gelbe Hautfarbe auf eine sich entwickelnde Krankheit hinzudeuten schien. Wie er erzรคhlte, hatte er keine rechte Verbindung mit der dortigen Kolonie seiner Landsleute, aber auch fast keinen gesellschaftlichen Verkehr mit einheimischen Familien und richtete sich so fรผr ein endgรผltiges Junggesellentum ein. Was sollte man einem solchen Manne schreiben, der sich offenbar verrannt hatte, den man bedauern, dem man aber nicht helfen konnte. Sollte man ihm vielleicht raten, wieder nach Hause zu kommen, seine Existenz hierher zu verlegen, alle die alten freundschaftlichen Beziehungen wieder aufzunehmen - wofรผr ja kein Hindernis bestand - und im รผbrigen auf die Hilfe der Freunde zu vertrauen? Das bedeutete aber nichts anderes, als [54โก]daร man ihm gleichzeitig, je schonender, desto krรคnkender, sagte, daร seine bisherigen Versuche miรlungen seien, daร er endlich von ihnen ablassen solle, daร er zurรผckkehren und sich als ein fรผr immer Zurรผckgekehrter von allen mit groรen Augen anstaunen lassen mรผsse, daร nur seine Freunde etwas verstรผnden und daร er ein altes Kind sei, das den erfolgreichen, zu Hause gebliebenen Freunden einfach zu folgen habe. Und war es dann noch sicher, daร alle die Plage, die man ihm antun mรผรte, einen Zweck hรคtte? [...]