Wie keine andere wimmelt die deutschsprachige Gegenwartsliteratur von Gespenstern, die unverarbeitete, verdrangte und unsichtbare Aspekte der Vergangenheit enthullen. Wahrend der Fall der Mauer 1989 als jungstes Emblem historischer Dynamik und als Schritt vorwarts' im Heilungsprozess der Kriegsnarben betrachtet wurde, verhalt die Literatur sich seit Anfang der neunziger Jahre widerspenstig, indem sie sich immer wieder der Geschichte zuwendet und deren Toten heraufbeschwort. Mit diesem Hang zur Nekrophilie stellt die Literatur sich gegen den oft von Aktualitatszwang und selektiver Amnasie gepragten Diskurs des politischen Alltags, der allenfalls auf ein vereinheitlichendes, kollektives Gedachtnis zuruckgreift."